Für uns Mitglieder des BVZ, allesamt professionelle Hundetrainer und Verhaltensberater, ist das Thema Hundeerziehung Grundlage unseres beruflichen Alltags. All unser Tun findet im Sinne des Tierschutzes statt und hat das Wohl der Hunde im Fokus. Darüber hinaus sind es unser Wissen und unsere Erfahrung, die unsere Arbeit mit Hunden und Menschen lenken. Das Verhalten der Hunde in verschiedensten Situationen und Umgebungen als auch das Zusammenspiel zwischen Hund und Mensch im Alltag sind hoch komplexe und individuelle Vorgänge. Für die Lenkung und Justierung dieses Verhaltens hin zum erzogenen Hund, gibt es verschiedenste Lösungswege, die in Betracht gezogen werden können.
Unsere Aufgabe als Hundetrainer und Verhaltensberater ist es, Menschen und Hunden ein gutes Zusammenleben zu ermöglichen, das die Bedürfnisse Einzelner und die Wünsche aller, im angemessenen Umfang berücksichtigt. Hierzu zählt hauptsächlich die Anpassung an grundlegende Wünsche der Hundehalter im Alltag, die eine Erziehung ihrer Hunde notwendig machen. Sich nicht in Wohnungen zu lösen oder auch das lockere Gehen an der Leine sind nur zwei Beispiele von vielen. Funktioniert das Zusammenspiel aufgrund guter Strukturen weitestgehend reibungslos, sind Schwierigkeiten, die eine Abgabe des Hundes, z.B. wegen gefährlichen Verhaltens nach sich ziehen, eher unwahrscheinlich.
Mit großem Interesse haben wir die Ergebnisse einer portugiesischen Untersuchung im Zeitraum 2016-2019 von Wissenschaftlerinnen zur Kenntnis genommen, die sich mit den Auswirkungen von unterschiedlichen Erziehungsstilen auf das Wohlbefinden von Hunden befasst. Wichtig ist der Hinweis in der Zusammenfassung der Ergebnisse, dass es in dieser Studie nicht um messbare Erfolge von Erziehungsstilen geht. Stattdessen evaluieren die vorliegenden Daten das Wohlbefinden der Hunde während einzelner Prozesse im Training als auch bei der Interaktion mit ihrem Halter im Alltag. Um diese Wissenslücke zu schließen würden wir weitergehende Forschung begrüßen, die die Effizienz verschiedener Erziehungsstile erfasst und eine aussagekräftige Bewertung zulässt.
Zusammengefasst hat uns das Ergebnis der Studie insgesamt nicht überrascht. Sie bestätigt unsere Vermutung, dass Hundeerziehung einhergehend mit unterschiedlichen Motivationshilfen, das Hundeverhalten als auch das Ausdrucksverhalten der Hunde kurzfristig beeinflusst.
.
Details zur Studie
Die drei untersuchten Gruppen von Hundehaltern und ihren Hunden wurden nach vorher festgelegten Kriterien eingeteilt. Trainingsvideos dienten als Grundlage, die Erziehungsstile der Hundehalter als ausnahmslos belohnend oder überwiegend bestrafend bzw. als Mischform aus beiden Stilen zu bewerten.
Alle 92 teilnehmenden Hunde waren frei von Verhaltensproblemen im Bereich Angst oder Aggression.
Die direkten Einwirkungen der Erziehung während der Trainingseinheiten (Einzeltraining und Gruppentraining) führten bei den Hunden zu zwar unterschiedlichen, aber jeweils unmittelbaren Reaktionen. Zur Kategorisierung des Verhaltens wurden Trainingseinheiten gefilmt und das darin gezeigte Verhalten mittels eines Verhaltenskataloges (Ethogram) zugeordnet. Verhalten, wie das Wegdrehen der Hunde, sich über die Schnauze lecken, Speicheln, unterwürfiges Ausdrucksverhalten (ducken, auf den Rücken/auf die Seite legen) als auch das Weglaufen oder das Schreien, wurden als stress- oder konfliktbedingtes Verhalten eingeordnet. Diese Einordnung dient zur anschließenden Bestimmung des festgestellten Wohlgefühl oder Unwohlsein der Hunde. Jammern, sich Schütteln oder sich Kratzen der Hunde konnte nicht in direkten Zusammenhang mit bestrafenden Einwirkungen gebracht werden.
Zur Überprüfung der langfristigen Auswirkungen des jeweiligen Erziehungsstils wurden sowohl nach 20 Minuten Training vor Ort, als auch an Tagen nach dem Training zu Hause, Speichelproben entnommen. Hierbei zeigten sich nicht alle Hunde kooperativ, wodurch die geplante Menge Speichelproben nicht vollständig entnommen werden konnte.
Das Verhalten in einer entspannten Situation außerhalb des Trainingskontextes (langfristige Wirkung) wurde mittels des ‚cognitive bias test‘ untersucht. Diese Testanordnung soll eine allgemeine Grundhaltung/ein Wohlgefühl ermitteln, welche(s) bei der Lösung einer gestellten Aufgabe eingenommen wird. Nach einer Lernphase, die Hunden ermöglicht einzuschätzen, ob sie zu einem gefüllten oder leeren Futternapf hinlaufen, bestimmt die gemessene Zeit zum Napf darüber, ob sie diese Strecke eher positiv oder negativ (optimistisch oder pessimistisch) gestimmt zurücklegen.
.
Ergebnisse
Wie zu erwarten war, zeigten die Hunde, deren Halter eher bestrafend (positive Bestrafung/negative Belohnung) einwirken, der Situation entsprechende, körpersprachliche Signale. Die Hunde der bestrafenden Gruppen zeigten also häufiger unterwürfiges, stressbedingtes Verhalten. Außerdem lagen die Speichelproben-Cortisolwerte der Hunde in den bestrafenden/aversiv agierenden Gruppen über den Cortisolwerten, die bei den Hunden der ausnahmslos belohnenden Gruppen gemessen wurden. In vorherigen Studien zum Thema wurde der Stresslevel nach unerwarteter Bestrafung gemessen. Dabei zeigte sich ein deutlich erhöhter Anstieg der Cortisolwerte. Ein solcher, drastischer Anstieg des Stresslevel ist in dieser Studie, in der die Hunde mit zu erwartender, und somit vermeidbarer Bestrafung konfrontiert wurden, nicht erkennbar.
Erhöhte Aufgeregtheit zeigte sich mit signifikant höheren Werten bei den Hunden, die durchweg belohnt wurden (positive Belohnung/negative Bestrafung) im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen. Sowohl in der gemischten als auch in der belohnenden Gruppe zeigten die Hunde in den Trainingssequenzen längere Zeit entspannte Körperhaltungen im Vergleich zu den Hunden in der bestrafenden Gruppe.
Der ‚cognitive bias test‘ ermittelte schnellere Zeiten beim Zurücklegen der Strecke zu den Näpfen für die Gruppe der Hunde, die durchweg belohnt wurden. Der Rückschluss auf ein allgemein größeres Wohlbefinden der Hunde beim schnelleren Gang zum Napf lässt unseres Erachtens einigen Interpretationsspielraum. Nicht nachweisen lässt sich bei diesem Versuchsaufbau, ob Hunde, die eine Belohnung mit Futter als Trainingsmotivation gewohnt sind und eventuell eine Erwartungshaltung in Richtung Futterbelohnung erworben haben, hierbei einen lernbedingten Vorteil im Vorfeld der Studie mitgebracht haben können. Entsprechend vorsichtig sind wir hier im Bewerten der Rückschlüsse auf ein Gesamtwohlgefühl der Hunde beim Lösen der Aufgabe im Labor und somit als Indiz für nachhaltige Auswirkung eines belohnenden oder bestrafenden Erziehungsstil im Vorfeld des Versuches.
.
Unser Fazit
Die, bei Messung, nicht drastisch erhöhten Cortisolwerte der Hunde in den bestrafenden Gruppen bilden die Ergebnisse aus vorausgegangenen Studien mit aversiven Einwirkungen auf Hunde nicht ab. Hier kann der Rückschluss zugelassen werden, dass die Voraussehbarkeit von Bestrafung das Stressniveau nicht gravierend ansteigen lässt. Hingegen beim Versuch des Hundes, sich auf eine unvorhersehbare Einwirkung einzustellen, steigt der Stresspegel (Cortisolwert) massiv an 12 . Kann der Hund sich andererseits auf eine vorhersehbare, angemessene Bestrafung einstellen, reagiert er durchaus mit einem Anstieg des Stressniveaus, das allerdings keine signifikanten Ausschläge des Cortisolwertes aufzeigt (gemessen anhand gemessener Cortisolwerte). Die Ergebnisse des ‚cognitive bias test‘ sind unseres Erachtens nicht aussagekräftig, um zu beurteilen, ob ein vorheriges Training der Hunde mit einem bestimmten Erziehungsstil, langfristiges Wohlgefühl von Hunden bedingt.
Wir stimmen den Rückschlüssen aus den Studienergebnissen zu, dass eine Erziehung von Hunden durchweg wohlwollend, mit voraussehbaren Einwirkungen durch positive Belohnung oder negative Bestrafung erfolgen sollte. Ergänzend dazu sind angemessene positive Bestrafung und negative Belohnung als Erziehungshilfe einsetzbar, um das Erziehungsziel, einer klaren Struktur, Regeln und maßvollen Miteinander erreichen zu können.
Wir erkennen in den Studienergebnissen nicht, dass Hundeerziehung ohne bestrafende Einwirkungen den besseren, netteren oder zielführenderen Erziehungsstil abbildet. Lediglich das Wohlgefühl der Hunde steigt situativ, sofern die Hundehalter nicht bestrafend bei unerwünschtem Verhalten einwirken. Zudem ist eine Bestrafung, die erwartet und eingeschätzt werden kann, für den Lernenden (zu Erziehenden) in einer Lernsituation berechenbar und geht mit einem kurzfristigen und angemessenen Anstieg des Stressniveaus einher.
Sowohl für eine Belohnung als auch für eine Bestrafung im lerntheoretischen Sinne gilt, dass die zu Erziehenden wissen müssen, wofür sie belohnt oder bestraft werden, dass das Timing stimmt und dass beides an den Hund individuell angepasst ist, ansonsten bleibt der erwartete Lernerfolg aus oder stellt sich nur zögerlich ein. Hingegen führt eine unerwartete Bestrafung, die keinerlei kooperative Lernsituation abbildet, zu einem massiven Anstieg des Stresslevels12. Hier gilt es, weitere Studien mit ausreichender Stichprobe und verwertbaren Datensatzgrößen durchzuführen, die einen Rückschluss des Erziehungsstils auf langfristige Verhaltensänderung und nachhaltige Verhaltensanpassung zulassen können.
.
Stress in der Hundeerziehung darf sein!
Ein adäquater Stresspegel ist für einen optimalen Lernerfolg unerlässlich. Prozesse in der Erziehung zielen weder auf einen Cortisollevel mit Niedrigstwerten ab (vergleichbar mit denen einer Tiefschlafphase), noch versucht man ein permanentes Wohlbefinden zu erhalten. Aufregung, die während des Erziehungsprozesses beispielsweise aufgrund von Verboten entsteht, stresst kurzfristig, um langfristig, als Erwachsener, ein größeres Wohlgefühl in vergleichbaren Situationen erleben zu können.
Zusätzlich wäre eine weitere Studie zum Thema wünschenswert, um erneut Ergebnisse im Bereich des alltäglichen Umgangs der Halter mit dem Hund zu erhalten. Auch würden wir uns aussagekräftige Daten dazu wünschen, welche differenzierten Möglichkeiten des Einwirkens auf Verhalten wie z.B. Hilfsmittel, Körpersprache der Halter und Kooperation mit Menschen, dass Hundeverhalten kurz- und langfristig beeinflusst.
.
Und jetzt?
Unsere Mitglieder sind versiert genug, im Einzelfall entscheiden zu können, welcher Umgang mit Hunden und deren Haltern angemessen ist und zu den gewünschten Zielen führen kann. Lassen sie sich als Hundehalter nicht von Begrifflichkeiten leiten, die vermeintlich fröhlichere Hunde erwarten lassen. Erwarten sollten sie von Hundetrainern und Verhaltensberatern eher Hilfestellung, die ein fröhliches Miteinander ermöglicht.
Wir, die BVZ-Hundetrainer freuen uns auf ihre Kontaktaufnahme und punkten gerne mit unserem Wissen, unserer Erfahrung und unserem ‚guten Gefühl‘ im Umgang mit ihnen und ihrem Hund.
.
Quellen:
Studiendetails/Originalstudie: Externer LinkStudienergebnis
- Beerda B, Schilder MBH, van Hooff JARAM, de Vries HW, Mol JA. Behavioural, saliva cortisol and heart rate responses to different types of stimuli in dogs. Appl Anim Behav Sci. 1998; 58, 365–381
- Schalke E, Stichnoth J, Ott S, Jones-Baade R. Clinical signs caused by the use of electric training collars on dogs in everyday life situations. Appl Anim Behav Sci. 2007; 105, 369–380
.
(c) Artikel von Ellen Friedrich, Hundetrainerin/Verhaltensberaterin 'Hundeschule der rote Hund'.
Mit Dank für Unterstützung an Dr. rer. nat. Iris Mackensen-Friedrichs, Rebecca Radtke und Beatrice Rosenthal. Januar 2021
Der Beitrag darf gerne in vollständiger Form weitergeleitet und veröffentlicht werden. Bei beabsichtigten Kürzungen/Redigierung des Beitrages muss die vorherige Zustimmung bei der Autorin eingeholt werden.