Füttert man Hunde ausreichend, sorgt sich um deren Gesundheit, erlaubt ihnen regelmäßigen, ausgiebigen Kontakt zu Menschen und verwehrt grundsätzlich den Austausch mit anderen Hunden, schränkt man sie in ihren Grundbedürfnissen ein. Ihr Verhalten gegenüber Artgenossen kann sich nicht optimal entwickeln und unbekannte Hunde werden in Folge oftmals als fremd oder gar bedrohlich eingestuft.
Gute Voraussetzungen
Welpen sollte entsprechend wohl dosierter Kontakt zu Hunden im gleichen Alter als auch welpenverträglichen erwachsenen Hunden gewährt werden, um ihre Sozialisierung auf solide Füße zu stellen. Im Kontakt mit Artgenossen festigt sich das eigene Selbstbewusstsein, werden die Fähigkeiten beim Lösen von Problemen oder Konflikten trainiert und die körperlichen Möglichkeiten im Rahmen von Sexualität als auch Jagd erprobt. In dieser Zeit lernen Hundehalter das Verhalten ihrer Hunde einzuschätzen, zu begrenzen und in passende Bahnen zu lenken.
Das alles sind gute Voraussetzungen für Menschen und ihre Hunde, um Hundebegegnungen mit und ohne Leine souverän meistern zu können.
Hürden
Hinderlich dabei erweisen sich allerdings biologische Entwicklungsprozesse, die aus allzeit zum Spiel bereiten Welpen, erwachsen handelnde Hunde machen. Im Zuge der Pubertät und damit einhergehender Hormonumstellungen, werden Begegnungen mit Artgenossen anders bewertet. Spielpartner können Freunde bleiben oder aber sie werden zu Sexualpartnern, Konkurrenten oder Eindringlingen. Jetzt gilt es – für Hundehalter und Hunde - Haltung zu bewahren, Stellung zu beziehen oder Grenzen zu setzen.
Individualität
Hunde, deren Ontogenese vom Welpen zum Erwachsenenalter unspektakulär, also weitestgehend ‚normal‘, abgelaufen ist, haben unterschiedlichste Strategien, Hundebegegnungen zu absolvieren. Je nach Typ (Charakter), erlebten Erfahrungen und Erfolgsmodellen im Kontakt mit Artgenossen, agieren Hunde aufgeschlossen, vorsichtig, ungestüm, bestimmt, fordernd u.a..
Hundebegegnung ohne Leine
Das Treffen zweier Hunde ohne Leine bietet ausreichend Raum, sich, den eigenen Bedürfnissen gemäß, anzunähern. Abstand, Tempo, Körperhaltung – all das vermittelt dem Gegenüber die eignen Wünsche, Möglichkeiten und gefühlten Status. Jetzt gilt es, den entgegenkommenden Hund richtig zu bewerten und sich situativ angemessen zu verhalten. Hierzu stehen dem Hund viele verschiedene Verhaltensweisen zur Verfügung: ausweichend, distanzvergrößernd, interessiert, spielerisch u.a.. Und das alles im passenden Tempo, um die Situation bestmöglich zu meistern.
Wer gerne rauft, wird sich die Gelegenheit, den anderen Hund zu einer Rauferei zu motivieren, auch bei der Möglichkeit ausweichen zu können, eventuell nicht entgehen lassen. Spielertypen werden versuchen ihre Energie in exzessive Spielaufforderungen zu stecken. Vorsichtige Typen schlagen vielleicht einen weiten Bogen oder verharren an einer Stelle. Feste Begegnungsregeln gibt es keine, es treffen sich immer Persönlichkeiten mit individuell unterschiedlichen Bedürfnissen und Strategien.
Orientierung an der Leine
Ist die Handlungsfähigkeit der Hunde durch eine Leine eingeschränkt entscheidet der Halter, wie sich der Hund in dieser Situation verhält. Mit dem Führen eines Hundes an der kurzen Leine, die ein angepasstes Gehen neben dem Hundehalter verlangt, gibt der Hundehalter die Regeln für alle Situationen vor. Die Begegnung mit Artgenossen soll und kann jetzt nicht stattfinden. Es gilt, dem Wunsch des Halters entsprechend, eigene Bedürfnisse in den Hintergrund zu stellen und sich nicht unaufgefordert in andere Situationen zu begeben. Sicher keine leichte Aufgabe für Hunde, deren eigene Einschätzung königlichen Status beschreibt oder all jene, die hinter jeder Ecke eine Bedrohung für Leib und Leben vermuten. Hier zählen die Kompetenz des Halters und die Anpassungsfähigkeit des Hundes. Sind beide optimal aufeinander eingestimmt, wurde ausreichend oft geübt und passend justiert, können Hundebegegnungen unspektakulär von Menschen und Hunde absolviert werden. Es passiert … nichts, da die Hunde keinen Kontakt miteinander haben! Ganz einfach!
Treffen angeleinter Hunde
Gewährt man zwei angeleinten Hunden Kontakt übergibt man das Zepter an die Hunde und wird zum – vielleicht nur stillen Beobachter – oder zum Handlanger des sich entwickelnden Begegnungsprozedere. Hunde entscheiden sich situativ, in Reaktion auf die Aktion des Gegenübers, schnell, souverän oder auch unangemessen. Werden diese Verhaltensweisen durch die Leine begrenzt, ist das Ausweichen und Raum gewinnen nicht möglich. Verdrehen sich zusätzlich die Leinen und führen zu körperlicher Nähe, die eine gewünschte Individualdistanz nicht herstellen lässt, ist distanzvergrößerndes, also aggressives Verhalten, vorprogrammiert. Halter, die erst dann versuchen, das Verhalten des eigenen Hundes zu unterbinden oder schützend einzuwirken, vernachlässigen ihre Fürsorgepflicht und handeln grob fahrlässig.
Ein angeleinter Hund trifft freilaufenden Hund
Findet die Kontaktaufnahme zweier Hunde mit und ohne Leine statt, d.h. wird ein Hund angeleint geführt und ein unangeleinter Hund nähert sich, sind die Kompetenzen des Halters mit angeleintem Hund maßgeblich dafür verantwortlich, wie sich der angeleinte Hund verhalten kann. Es gilt, das Verhalten des fremden Hunden einzuschätzen, die Fähigkeiten des eigenen Hundes zu kennen und dann zu entscheiden, welche Schritte getan werden können, um die Situation für den eigenen Hund bestmöglich zu gestalten.
Sofern sich der frei laufende Hund nicht entfernt, gilt es, den eigenen Hund – und sich selbst! – zu schützen. Das Wegschicken oder gar Wegschieben des fremden Hundes ist nicht immer möglich. Aggressives, distanzvergrößerndes Verhalten (wegschicken, wegschieben) ist durchaus mit Verletzungsgefahr verbunden. Das Ableinen des eigenen Hundes kann die Situation entschärfen, muss aber nicht die beste Lösung sein. Jagdlich hoch ambitionierte Hunde suchen eventuell das Weite, läufige Hündinnen werden ggf. gedeckt.
Fakten
Nicht richtig ist es, die Begegnungen von Hunden, die sich nicht kennen, generell als Konfliktsituation zu beschreiben. Ebenfalls nicht korrekt ist es zu behaupten, angeleinte Hunde, die einem unangeleinten Hund begegnen, lösen diese Situationen ausschließlich und immer mit Verhaltensmustern, die bei starker Bedrohung als Überlebensstrategie gewählt werden (Flight, Fight, Freeze).
Auch eine Spielaufforderung in solchen Situationen ist nicht immer Ausdruck außerordentlichen Stress‘. Einfach mal zum Spielen auffordern kann eine nette Begrüßung sein – nicht mehr und nicht weniger. Verhaltensmuster, die bei Hundebegegnungen, mit und ohne Leine, gezeigt werden beruhen auf Erfahrungswerten, sind situativ unterschiedlich und haben mit der Präsenz des Halters zu tun.
Es ist nicht möglich, Hundebegegnungen in Schablonen zu pressen, zu standardisieren oder pauschale, auf jeden Hund anwendbare Ablaufpläne zu propagieren. Hundehalter sollten Experten für das Verhalten ihres eigenen Hundes sein. Beziehung und Bindung kauft man nicht mal eben so im Supermarktregal. Ein gutes Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit in der Konflikte und Auseinandersetzungen ebenso zum Alltag gehören wir die Freude am gemeinsamen Tun.
Man darf als Hundehalter ohne Reue das Zusammentreffen des eigenen Hundes mit Artgenossen erlauben und verbieten, ohne um das Wohl des Vierbeiners Sorge zu haben. Für ein gutes Miteinander können verhinderte Begegnungen, nicht stattfinde Spiele oder vereitelte Begrüßungen, Menschen und Hunden einen guten Tag bescheren.
Unser Rat: Viel fundiertes Wissen um den eigenen Hund kann man sich erarbeiten. Das Wissen um das Verhalten fremder Hunde kann man bei deren Besitzer erfragen. Experten treffen Experten – respektvoll. Es genügt, wenn die Hunde ihre Gefühle offen zur Schau stellen. Menschen können … miteinander reden - sachlich!
Empfehlung
Ballungsgebiete mit hoher Hundedichte verlangen nach kompetenten Hundehaltern, um die Begegnungssituationen für Hunde, Halter als auch nicht-Hundehalter so entspannt und gefahrlos wie möglich ablaufen lassen zu können.
Bei Fragen zum Verhalten von Hunden, ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten, sie gut in unsere komplizierte Gesellschaft zu integrieren, stehen wir, der BVZ-Hundetrainer e.V. allen Hundehaltern gerne zur Verfügung.
Wir kümmern uns professionell um das Wohl der Hunde, der Hundehalter und ein gutes Zusammenleben mit Respekt für die Bedürfnisse aller Menschen und Tiere!